"Das Fenster zur Kunst" präsentiert Prosa von

- Eric P. Caspar -


 

 


KONTAKT: Über Web Kuenstler Galerie info@web-kuenstler-galerie.de

 

 

Durch die Vermittlung des früheren Leiters der Hörspielabteilung vom Bayerischen Rundfunk Dr.Dr. Hasselblatt landete die Anfrage des Falken Verlages nach einem Roulettebuch bei mir.

Aber auch intensivere mathematische Berechnungen sowie genaueres Studium der Wahrscheinlichkeitsrechnung konnten mich nicht von der Überzeugung abbringen, zwar immer wieder gute systematische Spielarten zu finden; nie jedoch ein sicheres System.

Nachdem die Verlagsgruppe Random House die Rechte zu diesem Buch vom Falken Verlag übernommen hatte, wurde die dritte Auflage jedoch unterbunden. Die Rechte liegen zur Zeit wieder bei mir und können erworben werden.

 


 

Spielend Roulette lernen

 

TEXTPROBE IN ARBEIT

zurück
 
 
Das Geburtstagsgeschenk

"Ich will ....., entschuldige, ich möchte keine Krawatte!"
"Aber die Rote mit den blauen Punkten und Ringen, ist die nicht schön?"
"Doch Liebling, sicher, sie ist schön, die Rote mit den blauen Punkten und Kringeln. Ich möchte aber keine Krawatte, auch dann nicht, wenn sie blaue Punkte und Kringeln hat. - Ich möchte eine Platte, eine Platte die sich dreht und die Musik macht!"
Für einen Augenblick hörte man nur ein kleines Seufzerchen, welches aus schmollenden, weichgeschwungenen Lippen die Straße auszufüllen schien. Ich glaubte die Augen der ganzen Welt strafend auf mich gerichtet zu sehen, und es schien, als ob der sonst auf Choräle einstudierte Engelchor, unterstützt von allen Posaunen, "wie kann man einer so schönen Frau widersprechen" sang - und das vier- oder fünfstimmig.
"Verdammt noch mal, ich will keine Krawatte!"
"Ist ja schon gut, werd' doch nicht immer gleich böse!"
Zum aus der Haut fahren! Ich hatte es wieder. Ich hatte wieder ein schlechtes Gewissen. Sie brachte es immer so weit. Wenn sie wenigstens schreien würde! Aber nein: werd' doch nicht immer gleich böse - ist ja schon gut!!
"Also, bekomme ich eine Platte?"
Mit sanfter Gewalt versuchte ich meine mir rechtlich angetraute Gattin von diesem Krawattenfenster wegzuziehen; aber eine unheimliche Kraft schien sie mit den Schlipsen zu verbinden. Auf jeden Fall widerstand sie standhaft all meinen diesbezüglichen Versuchen.
"Liebling, wenn ich Dir nun eine Platte und diese Krawatte schenke?"
"Die mit den roten Ringen und Punkten?"
"Nein, Liebling. Die mit den blauen Ringen und Punkten!"
Es war wirklich zum Verzweifeln. Ich versuchte es mit Logik - viel hatte ich im Leben noch nicht gelernt.
"Liebling ...."
Meiner Stimme gab ich einen warmen, liebenswerten Ton.
"Liebling schau ....."
Ich merkte nicht einmal, daß ich schon ihre Diktion angenommen hatte, und damit - wie ihr überlegenes Lächeln mir (wenn ich aufmerksam gewesen wäre) andeutete - auf dem Weg zur Varusschlacht war, das heißt, daß ich von vornherein mit dem Stempel des Verlierers gezeichnet war.
"Liebling schau ..."
"Ja?!"
Was sollte dieses ja? Ich komme aus dem Konzept, wenn man mich unterbricht. Das war schon in der Schule so. Und sie weiß es. Ich habe es ihr immer und immer wieder gesagt. Ich laß mich scheiden!
"Was ja?"
"Ich hör' Dir zu!"
"Ach so, äh .... "
Sie hatte es geschafft! Ich war aus dem Konzept. Nur jetzt keinen Streit auf der Straße. Warum hatte ich keine heute abend keine Krawatte um. Ich hätte sie mir richten können und damit wertvolle Sekunden gewonnen. Vielleicht hätte ich mit dem Richten sogar eine gewisse Natürlichkeit vortäuschen können, wie ich das oft im Theater gesehen hatte. Ich wäre in diesem Moment sogar bereit gewesen, die Krawatte mit den blauen Punkten und Ringen zu richten.
"Liebling schau ......"
Ich nahm, wie man bemerkt, einen neuen Anlauf, holte kurz Luft und hätte auch gewußt, was ich weiter sagen wollte, als sich die schmollenden, weichgeschwungenen Lippen wieder öffneten, um im süßesten Frageton "Ja, Liebling?" zu säuseln.
Das war zuviel!
Mit leicht zusammengedrückten Zähnen - die Backenmuskulatur arbeitete, durch die Nase holte ich tief Luft, obwohl mir zu dieser Zeit ein kleiner Schnupfen das Atemholen durch die Nase erschwerte (aber was sollte ich machen: wenn ich den Mund geöffnet hätte, hätten meine Backenknochen nicht mehr gearbeitet und meine durch die arbeitenden Backenknochen unterstützte Wut wäre vielleicht verflogen) - rang ich um Haltung. Und ein Gedanke, ein einziger Gedanke ging mir durch den Kopf: ich laß mich scheiden! Ich laß mich wirklich scheiden. So geht das schon seit vier Jahren. Immer hat sie das letzte Wort. Ich bin einfach zu gütig für eine Frau. Besonders für meine Frau. Meine Gutmütigkeit steht mir im Weg. Das nützt sie aus. Morgen bin ich bei meinem Anwalt. Jetzt laß ich mich wirklich scheiden. Seelische Grausamkeit. Oder was immer.
Während dieses geistigen Höhenfluges hatte ich mit einem leichten Pfeifen (da ich wie gesagt ein wenig verschnupft war und durch die Nase atmete) meine beiden Lungenflügel gefüllt und ein wenig zu heftig formuliertes
"Verdammt noch mal, dan kauf mir eben die Scheißkrawatte mit den blauen Ringen und Punkten; aber ich schwöre Dir, ich werde sie nie tragen" von mir gegeben.
Ich sehe noch das ältere Ehepaar, welches sich nach mir umdrehte. Vielleicht hatte ich mit meinem Ausbruch zwei Menschen wieder zusammengebracht.
Bei uns schien dies nicht der Fall zu sein. Wir sind dann, ohne daß sich die schmollenden, weichgeschwungenen Lippen noch ein weiteres Mal geöffnet hätten, nach Hause gegangen. Meine Frau schlief im Wohnzimmer. Also ehrlich: ich verstand das nicht. Alles wegen so einer blöden blauen Krawatte mit Ringen und Punkten.
Zwei Tage später war sie - meine Frau - mit allen Koffern und all ihrem Schmuck bei ihrer Mutter. Von ihrem Rechtsanwalt - dem meiner Frau - kam die Nachricht, daß sie sich scheiden lassen wolle ..... ich verstand die Welt nicht mehr.
Zwei Tage nach Eintreffen des Briefes vom Rechtsanwalt, feierte ich ganz alleine, in der für einen Menschen viel zu großen Wohnung, meinen Geburtstag mit einer Flasche Whisky. Um 9.48 Uhr klingelte es an der Haustür und der Postbote brachte mir ein Expresspäckchen. Absender: meine Frau!
Mein Geburtstagsgeschenk!
Mit leicht zitternden Händen versuchte ich das Päckchen zu öffnen. Natürlich, wie könnte es anders sein, gelang das nicht. Ich holte ein Messer, ich schnitt mich, das Jod brannte, ich fluchte; aber schlußendlich lag das Geschenk enthüllt auf dem Tisch: ein Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel.
Nun saß ich da und spielte mit mir selber Mensch ärgere Dich nicht!
Oh, Mathilde! Wie gerne würde ich die rote Krawatte mit den blauen Punkten und Ringen tragen. Ich würde sie nie mehr von meinem Halse nehmen. Auch nicht beim Waschen. Ich würde mit ihr schlafen und auf der Toilette sitzen. Wenn Du nur bei mir wärst.
Aber ich saß da und spielte Mensch ärgere Dich nicht. Mit mir selber. Dabei verliere ich immer gegen mich. Im Übrigen hasse ich es, Mensch ärgere Dich nicht zu spielen.
Damit wäre die Geschichte eigentlich zu ende. Was jedoch der Literatur recht ist, darf für mich billig sein. Also lasse ich auch für mich einen reitenden Boten auftreten. Und zwar:
Einen Tag später klingelte es an meiner Haustür und ein Schulfreund, der mit seiner Handelsfirma Konkurs anmelden mußte, stand vor mir und verkaufte Krawatten. Natürlich stach sie mir sofort in die Augen, die rote Krawatte mit den blauen Punkten und Ringen. Und natürlich kaufte ich sie. Wir tranken noch einige Whiskies - ohne Mensch ärgere Dich nicht zu spielen. Ich erzählte ihm von meinem Unglück. Er verglich es mit seinem Konkurs. Auf jeden Fall konnten wir beide über das sprechen, was uns so sehr bedrückte, und wir bemitleideten uns - psychologisch sehr wertvoll! Da er noch Geld verdienen mußte verließ er mich nachdem die Flasche leer war und ich legte mich ziemlich betrunken erst mal schlafen.
Durch heftiges Klingeln wurde ich unsanft aus meinem Schlummer gerissen. Mein Kopf dröhnte. Ich öffnete die Türe, nachdem ich zuerst einmal meinen Namen ins Telefon gebrüllt hatte und stand meinem Krawattenfreund gegenüber. Neben ihm, in ihrer ganzen Schönheit, meine fast schon Ex-Frau. Ich war noch zu verschlafen um groß auf Haltung zu machen, was sicherlich sehr gut war. - Oh ich habe vergessen zu erwähnen, daß ich mich in Kleidern hingelegt hatte und die erworbene Krawatte leuchtend um meinen Hals hing.
"Paß auf, altes Haus! Ich habe zufällig Deine Frau getroffen, ihr Deine Lage erzählt und sie überredet mitzukommen."
Ich schaute meinen Freund an, und wußte nicht, ob ich wütend werden sollte. Dann schaute ich zu meiner Noch-Immer-Frau und wußte nicht, ob ich mich freuen sollte. Und schlußendlich merkte ich, daß ich noch zu verschlafen war um meinen Stolz spielen zu lassen. Kurz: ich bat sie beide herein.
Mein Freund wollte jedoch nicht stören und verschwand.
Heute, es sind unterdessen zwei Jahre vergangen, sitze ich mit meiner Frau am Tisch und spiele Mensch ärgere Dich nicht und trage natürlich die rote Krawatte mit den blauen Punkten und Ringen. Wir lächeln uns glücklich an und aus ihren leicht schmollenden, weichgeschwungenen Lippen höre ich: "Weißt Du, die Krawatte ist wirklich schön!"
Ein Sprichwort fällt mir ein:
Der Hecht ist blau - recht hat die Frau.
Grau ist der Hecht - die Frau hat recht.
Und glücklich sage ich: "Ja, Liebling! Die Krawatte ist wirklich schön!"

zurück
 

 
zurück